Mit der Olsenbande nach Pennsylvania
Akkordeonorchester Carl Zeiss Jena e.V. feiert mit einem Konzert 50-jähriges JubiläumVon OTZ - Redakteurin Ilona Berger
Egon, Benny und Kield schleichen durch den Saal - musikalisch. ,Stop! Wo ist der Bass?" fragt Conrad Haase. "Traut euch, ihr müsst nicht leise sein", fordert der musikalische Leiter seine Spieler auf. "Die Olsenbande", Variationen über ein Thema von Bent Fabricius-Bjerre, steht auf dem Probenplan des Akkordeonorchesters Carl Zeiss Jena e.V. Das Stück wird auch zum jubiläurnskonzert zu hören sein. Haase drückt auf Tempo. Jede Sekunde ist kostbar. Nur einmal pro Woche für zweieinhalb Stunden können sich die Mitglieder im Kultur- und Freizeitzentrum "Lisa" in Lobeda zum üben treffen. Dafür kommt Haase jeden Montag von Senftenberg. Dort ist er an der Neuen Bühne Leiter der Schauspielmusik. Haase hebt den Taktstock und schaut auf die Notenblätter. "Los geht's". jetzt marschiert das OlsenbandenTrio gleichmäßig. "Das ist's". Zwei Lieblingswörter des 53-Jährigen, wenn er mit den Leistungen seiner Schützlinge zufrieden ist. Nächstes Stück Choco Flanell. Ein Tango. Christa Berndt freut sich. Den spielt und tanzt sie gern, bekennt die 67-jährige Jenaerin. Sie gehört auch einer Seniorentanzgruppe an. Beim Erzählen leuchten ihre Augen: "15 Jahre bin ich schon im Orchester. Mir macht es viel, viel Freude, weil wir auch eine gute Truppe sind. Und: Conrad Haase hat ein tolles Niveau reingebracht." Das zeigt sich im Repertoire. Breitgefächert, ungewöhnlich, anspruchsvoll, raffiniert. "Yesterday" von den Beatles, Märsche, Klassisches, Rockiges, Ballettund Opernmusik bringen die 20 Mitglieder zu Gehör. Viele Arrangements stammen auch von Haase wie der "Ehrenmann" von den "Toten Hosen". Zum Jubiläumskonzert will das Ensemble wieder überraschen, zum Beispiel mit Bigband-Sound von Glenn Miller wie ,Moonlight Serenade" und ,Pennsylvania 6-500." Aufbrechen zu neuen Ufern beschreibt das Ensemble seine Experimentierlust und räumt mit den Vorurteil auf, Akkordeonspielen sei altmodisch.
Vor 50 Jahren übernahm der damalige VEB Carl Zeiss Jena eine Gruppe junger Akkordemirrinsiker und förderte sie. Bis 1958 kümmerte sich Gerhar(1 Pröschild um die Spieler. Dann gab er die Orchesterleitung an Herman Reinsch weiter. Er schaffte es, dass sich der Klangkorper über die Grenzen der Stadt einen hervorragenden Ruf erspielte. Erfolge bei Teilnahmen an DDR - Ausscheiden krönten die Arbeit Rigorose Einmischung der Partei auf Programm und Entwicklung konnte Reinsch mit Geschick gut umschiffen. ärger gab es nicht.
Manchmal wurde aber die Geduld des heute 86-Jährigen auf eine Probe gestellt. 1973 Wochenendschulung in der Jugendherberge Eckartsberga: "Als ich eine halbe Stunde Kaffeepause ankündigte, empörte sich ein junges Mitglied: Was, geht's dann noch weiter?" erinnert sich Reinsch lachend. Amüsiert erzählt er weiter: "In den 60ern hatte Conrad Haase erstmals die Gelegenheit, sein Können auf dem Xylophon mit Orchesterbegleitung zu zeigen. Der Blick des Dirigenten fällt auf vier Holzschlegel neben dem Instrument. Du brauchst doch nur einen. Conys Antwort: Na, wenn mir mal einer wegfliegt." Damals ahnte keiner, dass Haase 1995 die Leitung übernehmen wird. Heute ist Hermann Reinsch 1. Vorsitzender des Vereins. Akribisch führt er die Statistik. Obwohl er nicht mehr mitspielt, schaut er bei jeder Probe vorbei, begrüßte jedes Mitglied persönlich, "Ich will doch wissen, was los ist." Verschmitzt schaut er sich um und blickt zu Manfred Weber. "Ich habe im Orchester meine Frau kennen gelernt", sagt er strahlend. Bei welchen Stück hat es gefunkt? Der inzwischen 68-Jährige winkt ab, "Da habe ich mich nicht um das Lied gekümmert. Nur gedacht. heute Abend muss ich mal die Sache perfekt machen." Auch Heide Haase hat ihren Conrad im Ensemble gefunden.
Trotz des gemeinsamen Spaß' zu musizieren, plagen die Mitglieder Sorgen. Fluktuation wegen Berufswechsel. Drei Frauen spielen nun in bayerischen Orchestern. Und: Nachwuchs fehlt. obwohl Studentin Tina Kaugk mit ihren 20 Jahren zu den jüngsten gehört. "In der Schule wurde ich mit meinem Instrument als altbacken abgestempelt. Die meisten lernten Klavier oder Geige. Mir war's egal. Denn mit dein Akkordeon kann man jeden Musikstil spielen und der Erfolg stellt sich schneller ein."
Auch die Auftritte sind in den letzten Jahren seltener geworden . Kommunen geben für Kultur kaum Geld aus. "Also spielen wir lieber weniger, dafür vor vollem Haus", argumentiert Conrad Haase. "Zum traditionellen Jahreskonzert 2004 in der Jenaer Stadtkirche St, Michael kamen 800 Besucher." Beim Jubiläumsauftritt nächste Woche hofft der Verein ebenso auf viele Gäste. Mit diesem soll wieder ein Stück Vereinsgeschichte geschrieben werden. Deshalb wird am kommenden Wochenende in Kolkwitz noch einmal fleißig geprobt - die Olsenbande und Glenn Miller,
Der Deutsche Harmonikaverband zählt knapp 2000 Orchester, der Thüringer vier - mit dem Jenaer Ensemble.
Termin: 30. Oktober, 16 Uhr, Volkshaus Jena.